Böden und Terroir

Böden und Terroir

Die Frage, in wie weit die Eigenschaften der Weinbergsböden sich auf die Weinqualität auswirkt, ist nach wie vor unbeantwortet und gehört weiterhin zu den am meisten umstrittenen Fragen in der Welt des Weines.

Die Hauptvertreter der unterschiedlichen Auffassungen werden dabei vor allem durch den Atlantik getrennt, denn während in Frankreich die Bedeutung des Bodens für die Qualität des Traubengutes und der daraus erzeugten Weine als anerkannte Tatsache gilt und diese Auffassung darüber hinaus sogar einen der tragenden Eckpfeiler des Konzepts des Terroir bildet, wird dieser Zusammenhang vor allem von den kalifornischen Vertretern rundweg abgelehnt.

lhrer Auffassung haben sich alle Länder der Neuen Welt im Prinzip angeschlossen, auch wenn die Verwerfungslinien

heute längst nicht mehr so tief sind wie noch vor zwei Jahrzehnten. Die französische Auffassung, die darin gipfelt, dass wie im Burgund die Rebsorte - sei es Pinot Noir oder Chardonnay - lediglich als Medium betrachtet wird, das in der Lage sein muss, das Terroir jeder einzelnen Lage zum Ausdruck zu bringen, hat sich in der Europäischen Union weitgehend durchgesetzt.

Das bestimmt natürlich auch das Konsumentenverhalten, und so ist die Neue Welt zur Anpassung gezwungen, um auf den europäischen Märkten bestehen zu können. Die Einrichtung von geographischen Herkunftsbezeichnungen ist sicher ein Schritt in diese Richtung.

Die Bedeutung der Böden

In Europa gilt es als sicher, dass die Eigenschaften der Weinbergsböden neben dem Einfluss des Klimas die wichtigsten Faktoren für die Qualität der Trauben und des daraus erzeugten Weines darstellen. Als wichtigste Eigenschaften der Böden werden gemeinhin diejenigen angesehen, die für die Wasserversorgung der Rebe von besonderer Bedeutung sind. Besonders gute Weine entstehen oft auf Böden, die für Wasser einerseits sehr gut durchlässig sind, aber andererseits trotzdem die Reben stetig mit Wasser versorgen.

Boeden_und_Terroir_01

Die Wasserzufuhr sollte aber nicht zu stark sein, um ein übermäßiges vegetatives Wachstum

der Reben zu verhindern. Dazu ist es aber auch notwendig, dass der Boden nicht allzu fruchtbar und reich an mineralischen Nährstoffen ist. In diesem ldealfall bildet die Pflanze nur kleine Blätter, sodass das gesamte Laub und auch die Trauben gut von der Sonne beschienen werden. In diesem Fall reduzieren sich auch die aufwändigen Laubauslichtungsmaßnahmen während des Sommers auf ein Minimum. Auch die einzelnen Weinbeeren werden bei sparsamer Wasserzufuhr in ihrem Wachstum in einer vorteilhaften Weise gehemmt, denn aus kleineren Beeren kann in der Regel Wein von höherer Qualität erzeugt werden.

Das liegt daran, dass bei ihnen das Verhältnis von Fruchtfleisch zu Schalenoberfläche kleiner ist als bei großen Beeren, was zu einer höheren Konzentration der Farb- und Aromastoffe führt, die überwiegend in der Schale vorhanden sind. Außerdem sind kleinere Beeren nicht so sehr für mechanische Verletzungen durch Quetschung an der Traube anfällig, sodass sie auch seltener von Krankheiten befallen werden. Allerdings darf der Wasserstress der Pflanze nicht so groß werden, dass ihre grundlegenden physiologischen Funktionen nachhaltig gestört werden.

Der Einfluss der Bodeneigenschaften auf die Qualität des Weines erschöpft sich jedoch bei weitem nicht in der

Funktion der Wasserversorgung, sondern erstreckt sich auch noch auf weitere Faktoren. Eine für den Weinbau wichtige Frage ist die der Bodenfarbe. Ein heller Boden reflektiert sehr viel Sonnenlicht, wobei er selbst relativ kühl bleibt. Dunklere Böden hingegen nehmen das Sonnenlicht auf und wandeln es weitgehend in Wärmeenergie um - je dunkler der Boden, desto höher die Energieausbeute. Nachts strahlen die dunklen Böden die Energie wie eine Heizung ab und wärmen die Reben sowie die Weintrauben.

Gerade in den klimatischen Randbereichen des Weinbaus wie an Rhein, Mosel, Ahr und Elbe und zudem noch insbesondere in kühlen Frühlings- oder Herbstnächten kann dies von existenzieller Bedeutung sein, weil dadurch sowohl Frostschäden verhindert als auch Traubengut höherer Qualität erzeugt werden kann. Für die Wärmespeicherfähigkeit des Bodens ist aber nicht nur seine Farbe von Bedeutung, sondern auch seine geologische Beschaffenheit sowie der Feuchtigkeitsgehalt. Steinige oder steinhaltige Böden besitzen eine gute Fähigkeit, Wärme zu speichern und langsam wieder abzugeben, denn Stein ist ein wesentlich besserer Wärmespeicher als Sandboden oder einfaches Erdreich.

Zudem bietet Steinboden meist auch eine sehr gute Drainage und ist außerdem nährstoffarm. Steinböden können nur wenig wasser speichern, und das regt die Pflanze zu einem verstärkten Wurzelwachstum an, was ihr wiederum größere Standfestigkeit verschafft -bis zu 15 Meter tief kann die Weinrebe ihre Wurzeln in den Boden treiben. Befindet sich unter einer steinigen Schicht feuchter Boden, so ist die Fähigkeit, Wärme zu speichern, noch höher. Das Gestein nimmt die Wärme relativ leicht auf und leitet sie weiter in die Tiefe.

Das Wasser im feuchten Erdreich kann sehr viel Wärme speichern und über lange Zeit langsam wiederabgeben, wobei

der Boden durch die schützende Gesteinsschicht gegen Verdunstung und damit verbundene stärkere Abkühlung geschützt ist. Solche Böden sind oftmals hervorragend für die Erzeugung feiner Weine
geeignet.

Einfach nur feuchte Böden ohne schützende Gesteinsschicht kühlen hingegen schnell aus und wärmen sich dann nur langsam wieder auf sodass die Wärmeaufnahme an der Oberfläche nur sehr langsam vor sich geht. Auf solchen Böden bekommen die Reben oft nasse und kalte Füße - Reifeprobleme der Trauben sind in der Regel die unausweichliche Folge.

Boeden_und_Terroir_02

Einige der herausragenden Weinbergsböden sind stark mit Steinen durchsetzt wie im spanischen Ribera del Duero oder mit Steinen bedeckt wie in vielen Gebieten an der südlichen Rhöne oder bestehen sogar aus reinem Kies wie die berühmtesten Lagen im Medoc, in den Graves oder in Pomerol und St.-Emilion.

Die Faktoren, die den Einfluss der Weinbergsböden auf die Reben und insbesondere die

Traubenreife ausmachen, wirken in der idealtypischen Weise natürlich nur in Böden mit normaler, gesunder chemischer Zusammensetzung. Ein Übermaß oder ein Mangel an bestimmten chemischen Stoffen, beispielweise an Stickstoff, Kalium, Spurenelemeten, organischen Stoffen kann ebenso wie ein zu saurer oder zu alkalischer Boden tief gehende negative Auswirkungen auf Rebenwachstum, Trauben reife, Weinbereitung und Weinqualität haben.

Terroir

Aus all diesen Faktoren, die in den beiden vorangegangenen Kapiteln dargestellt werden, setzt sich das Konzept des Terroir zusammen, dem grundlegenden Gedanken, auf dem das gesamte französische System der Appellation Contrölee und in der Folge das französische Weingesetz und alle daran angelehnten Weingesetze basieren.

Die klimatischen Bedingungen, vor allem die klimatische Schwankungsbreite, die Höhe der jährlichen Niederschläge,

die für eine Gegend typischen Windverhältnisse, die durchschnittliche Sonnenscheindauer, die durchschnittliche Temperatur und ihre kurzfristige, tägliche Schwankungsbreite, darüber hinaus die Topografie einer Gegend, die mögliche Anwesenheit größerer Gewässer, die Höhenlage der in Frage kommenden Areale, Hänge, ihre Neigung und ihre Ausrichtung sowie schließlich die Böden, ihre Wärmespeicherfähigkeit, ihr Nährstoffgehalt, ihre Drainage und Fähigkeit, die Pflanze mit gerade eben genug Wasser zu versorgen, ihre Feuchtigkeit sowie ihre chemische und geologische Zusammensetzung - dies sind die Faktoren, die gemeinsam in einer ganzheitlichen Betrachtungsweise den Begriff des Terroir ausmachen.

Die einzelne Rebsorte und ihre Charakteristik sowie die Techniken der Weinbereitung treten in diesem Konzept hinter den Gedanken des Terroir zurück. Nun muss man bedenken, dass es für die berühmtesten Lagen Europas schon seit Jahrhunderten intensive Untersuchungen darüber gibt, warum der Wein von diesen Rebflächen immer anders ist als Wein von anderen, benachbarten Arealen. Diese Tradition gibt es in den Weinbauländern der Neuen Welt natürlich nicht. und so stellen sie den Gedanken des Terroir gerne als wissenschaftlich nicht haltbar und Instrument bestimmter wirtschaftlicher lnteressen dar.

Sie betonen eher die Bedeutung der Kellerbehandlung für die Weinqualität, auch wenn sie mit ihrer Hilfe nichts

Anderes tun, als zu versuchen, die großen klassischen Weinstile zu kopieren. Es gibt jedoch auch erste Anzeichen dafür, dass mit zunehmendem Alter der Weinbaugebiete in der Neuen Welt und einer damit verbundenen besseren Dokumentation einzelner Lagen und der Charakteristiken der auf ihnen erzeugten Weine das Konzept des Terroir hier nicht mehr so vehement abgelehnt wird.